[UPDATE] Analyse der LEGIDA-Positionen

Das Positionspapier von LEGIDA vom 29.12.2014 haben wir vom NIR bereits analysiert mit dem Resumee, dass hinter den einzelnen Punkten deutliche rassistische, antimuslimische und sexistische Ansichten hervortreten. Nun hat LEGIDA „Erläuterungen zum Positionspapier“ vorgelegt, in denen noch genauer ausgeführt wird, wie sie sich die Rechtebeschränkung von Minderheiten und Schwächergestellten in unserer Gesellschaft wünschen würden, nur um sich durch die Abwertung und Schlechterstellung Anderer selbst aufzuwerten.

Wir stellen in diesem Text die Analyse der islamfeindlichen und antimuslimisch-rassistischen Elemente des Papiers in den Vordergrund. LEGIDA argumentiert durchgehend kulturalistisch, wobei die Gruppe von geschlossenen und unvereinbaren Kulturkreisen à la Huntington ausgeht. In typisch ethnopluralistischer Weise behauptet LEGIDA nun, dass „Vermischung von Kulturen immer zum Zusammenbruch der Urkulturen führt“, was durch „die Geschichte belegt“ sei. „Sittenverfall“, „Verdummung“ und „Interessenlosigkeit“ seien die Folge einer „multikulturellen Gesellschaft“. Alle weiteren Punkte basieren auf dieser Grundlage der Intoleranz LEGIDAs bezüglich Pluralismus und Offenheit gegenüber Menschen, die nicht in diese völkisch-nationalistische Wunschvorstellung passen. Diese Reinhaltung der „nationalen Kultur“ äußert sich insbesondere in „Maßnahmen“ zur Änderung des Grundgesetzes (das von LEGIDA nicht als Verfassung anerkannt wird), die in der Konsequenz die Verfechter der „nationalen Kultur“ wohl zu Massendeportationen aller „Fremden“ ermächtigen soll, denn LEGIDA möchte den Grundgesetzartikel 16 in der Form geändert wissen, dass „extremistische Bestrebungen, unsere Kultur hinsichtlich ihrer Sprache, Religion und Werte zu unterwandern […] mit dem Entzug der Staatsbürgerschaft, auch auf die Gefahr hin, dass der Betreffende staatenlos wird, geahndet werden“ kann.

Den Artikel 4, der bislang Religionsfreiheit garantiert, möchten die Grundgesetzkritiker der LEGIDA zu einem Anti“islamisierungs“-Gesetz umbauen: Der Passus aus dem GG „Die Freiheit des Glaubens… [ist] unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet“ soll mit einem „im Rahmen unserer Gesetze, Verordnungen und unter Beachtung unserer Kultur“ eingeschränkt werden. „[D]amit wird die Religionsfreiheit in keiner Weise eingeschränkt, sondern nur auf die Veränderungen hinsichtlich der Anzahl der Angehörigen anderer Religionen und den damit entstehenden Problemen, vor allem mit Angehörigen des Islams, reagiert“ erklärt uns dagegen LEGIDA. Genauer definiert wird es nicht, wie „unsere[…] Kultur“ denn aussieht an der gemessen werden soll und wie einheitlich diese tatsächlich sei, so dass sie als Maßstab herhalten könne. Stattdessen wird klar ausgegrenzt und die bloße Anzahl von Muslim*innen als Problem hochstilisiert. Mit dem vorangegangenen Verweis auf Gesetze bekommt das offen islamfeindliche Bild eine kriminalisierende Abrundung.

Wer sonst noch alles nicht mehr seine Religion ausleben können soll, ist allerdings vorausschauend offengehalten, vielleicht wendet sich ja die Stimmung in Deutschland und es kommen dann auch wieder andere religiöse Gruppen in Frage, die als Sündenböcke herhalten müssen. Schließlich hat sich LEGIDA bereits im Einleitungsteil ihrer „Erläuterungen“ alles weitere offen gelassen, denn die Maßnahmenliste „ließe sich beliebig erweitern, wir haben uns, zumindest zunächst, auf die Benennung der dringendsten Probleme beschränkt.“ Gut zu wissen.

In einem weiteren Verfassungsänderungsvorschlag LEGIDAs, der sich auf Artikel 7 GG bezieht, wird klar, dass die Vereinnahmung einer „christlich-jüdischen Kultur“ reine Immunisierungsfassade zur Ausgrenzung des Islam sein soll, da LEGIDA allein den „christlichen Religionsgemeinschaften“ grundgesetzlich verbriefen will Religionsunterricht an Schulen zu gestalten. Die von LEGIDA betriebene Agitation gegen das rituelle Schächten im Namen des Tierschutz ist eine klassisch antisemitische, die in derselben Art auch von Nationalsozialisten betrieben wurde.

Auf einen weiteren Punkt der „Erläuterungen“ LEGIDAs möchten wir noch eingehen. Nach der nicht näher begründeten Ansicht von LEGIDA „hat es sich als unsinnig erwiesen, geschlechtsspezifische Berufe und Tätigkeiten (Hebamme, Bergmann, Schmied) auch für das jeweils andere Geschlecht zugänglich zu machen.“ Damit werden geschlechtsbedingte Ungleichbehandlungen als unhinterfragbar gerechtfertigt hingestellt und direkt gefordert die Berufswahl nach diesem einen Merkmal zu ermöglichen oder zu verbieten. (Der im Impressum der LEGIDA-Seite angegebene Jörg Hoyer ist im Übrigen ausgebildeter Hufschmied aber das ist sicher nur ein Zufall.)

Im nächsten Satz wird dem eigenen Argument direkt widersprochen, indem bestehende Ungleichbehandlungen negiert werden: „Bezüglich der Gleichstellung von Frauen ist unsere Gesellschaft so weit entwickelt, dass darüber kein Gesetzgeber mehr befinden muss, da Frauen unserer Kultur den Männern bereits völlig gleichgestellt sind.“ Und am Ende werden sie ausgelagert: „Anders hingegen stellt sich das Problem bei muslimischen Frauen dar. Hier muss wiederum auf die Änderung des Grundgesetzes hinsichtlich Art.4 verwiesen werden.“ Schön, wie LEGIDA das „Problem“ der Gleichstellung schon bereits mit der Abschaffung der Religionsfreiheit gelöst hat, ein Hoch auf den Zirkelschluss!

Ein letztes Kuriosum soll noch angesprochen werden: Zwischenzeitlich kursierten zwei unterschiedliche „Erläuterungen zum Positionspapier“ LEGIDAs. Eine Fassung der „Erläuterungen“ zum LEGIDA-Positionspapier ist auf dem LEGIDA-Blog veröffentlicht worden und endete mit dem vagen Satz: „Mit der staatlichen Finanzierung von Parteien ist der Pflicht des Staates, die politische Meinungsbildung zu fördern, Genüge getan. Weitergehende Finanzierungen von außerparlamentarisch tätigen politischen Vereinigungen sind daher nicht notwendig, da allein die Vielfalt der politischen Parteien ausreichend Möglichkeit bietet, sich politisch zu betätigen.“ Unter dem Text befand sich bis zum Nachmittag des 03.01.2014 eine Schaltfläche „PDF-Download“. Die dort erreichbare PDF-Version der „Erläuterungen“ wich in einigen Punkten inhaltlich von der Version der LEGIDA-Homepage ab, unter anderem wurde der angesprochene letzte Punkt des Maßnahmenkatalogs von LEGIDA konkretisiert: „Gewalttätige Organisationen wie die „Antifa“ werden mit hohen Summen aus dem Staatshaushalt finanziert. Der Staat ist durch solche Vereinigungen in der Lage, außerparlamentarische Bürgerbewegungen, aber auch Parteien, illegal in ihren grundgesetzliche Rechten zu beschneiden, teilweise sogar durch Gewalt.“ Inhaltlich lohnt es sich nicht auf diesen hanebüchenen Unfug einzugehen. Woher der Hass gegen Antifaschist_innen kommt, wird in dieser entlarvenden Passage durch den unverhohlenen Neo-Nazijargon überdeutlich, die mittlerweile auch nicht mehr online abrufbar ist: „Absichtlich gehe ich nicht auf weitere Punkte wie wirtschaftsmotivierte Falschdarstellungen von historischen Fakten und Siegerjustiz ein.“ Dabei wäre es schon sehr interessant gewesen, welche „historischen Fakten“ nach LEGIDA falsch dargestellt werden und was die „Siegerjustiz“ damit zu tun hat.

Nun haben sich die Organisator_innen von LEGIDA offenbar doch zu der Homepage-Version ihrer „Erläuterungen“ durchgerungen, allerdings nun noch ein „Nachwort“ ergänzt, das wie folgt endet und sowohl LEGIDAs Geschichtsunkenntnis als auch ihre Intoleranz nochmals eindrücklich illustriert: „Der Islam hat weder im 16. noch im17.Jahrhundert zu Europa gehört noch gehört er jetzt dazu. Er wird auch nie zu Europa gehören!“ Wir vom NIR rufen dagegen auf: Stellen wir uns gemeinsam Intoleranz und Rassismus entgegen! Am 12.01.2015 wollen wir zusammen ein Zeichen gegen Islamfeindlichkeit und für Vielfalt und Toleranz setzen!

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