Alle für den Frieden? Wohl eher nicht!

NIR- Erfahrungsbericht der Teilnahme am Treffen der „AG Frieden und Gedenken“ am 26.03.2015 von Flo:

Seit Beginn der sog. Montagsmahnwachen im Frühling letzten Jahres unter dem Label „Friedliche Revolution“ waren Mitglieder des NIR als kritische Beobachter_innen der Veranstaltungen auf dem Augustusplatz und verfolgten die Kundgebungen aus der Distanz. Wir achteten auf die Entwicklung der Bewegung, unter anderem, weil mit Stephane Simon dort ein regelmäßiger Redner auftrat, der noch kurze Zeit vorher als Aktivist gegen den geplanten Gohliser Moscheeneubau agitiert hatte. Inzwischen sprach Simon auf Veranstaltungen des Friedenswinters und auf der Dresdner Pegida-Bühne. Ein weiteres aktives Mitglied des damaligen Montagsmahnwachen-Organisationskreises war Markus Johnke, der heute wichtige Funktionen beim noch offener rassistischen Pegida-Ableger Legida in Leipzig übernimmt. Die Montagsmahnwachen-Videos zeichnete Daniel Seidel auf und verbreitete sie als Videos; Hagen Grell moderierte mehrere Mahnwachen, beide arbeiten heute für Jürgen Elsässers „Compact TV – Magazin“. Die genannten Personen standen über mehrere Wochen im letzten Frühjahr immer wieder montags gemeinsam mit Lutz Metzger und/oder Torsten Schleip am Mikrofon – von Reichsbürgern und Chemtrail-Gläubigen ganz zu schweigen. Auch Ken Jebsen durfte auf dem Augustusplatz als Gast aus Berlin reden, Lutz Metzger saß am 12. Mai 2014 neben ihm auf der Treppe der Oper und intervenierte nicht.

alt — Screenshot der Webseite von „Die Linke Leipzig“ vom 21.03.2015

Ich hatte mich also auf eine offene Auseinandersetzung innerhalb der LINKE-AG gefreut, insbesondere eine Klärung, mit welchen Personen und Gruppen Friedensarbeit möglich ist und sein darf, fand ich dringend überfällig. Ich hätte mir eine klare Abgrenzung zum, von Querfrontlern durchsetzten, Friedenswinter gewünscht, ähnlich Monty Schädels kürzlich erfolgter Intervention. Dieser wurde von Jebsen nach seiner Distanzierung vom Friedenswinter jüngst als „Feind in diesem Land“ bezeichnet. Doch zu einer Distanzierung sollte es nicht kommen, denn offenbar waren große Teile der AG nicht einmal zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem bisherigen Auftreten der Leipziger „Friedensbewegung“ im Friedenswinter und den Montagsmahnwachen bereit.

Zu Beginn der Sitzung gab es eine heftige Auseinandersetzung über die öffentliche Einladung und den im Internet veröffentlichen Titel der Veranstaltung (s. o.), Lutz Metzger kündigte einen Termin bei seinem Anwalt an, da er sich „dieses ewige Mobben“ nicht gefallen lasse und was der AG denn einfiele, dass sie sich nicht schäme! Offenbar war ein Teil der AG aufgebracht, dass Gäste anwesend waren, Alexej Dankwardt äußerte seine Zufriedenheit darüber, dass nicht noch mehr Leute gekommen seien, sogar er selbst und Volker Külow hätten sich einschalten müssen in „diese Geschichte“.

Nach diesem erstaunlichen Beginn empörten sich erst einmal mehrere AG-Mitglieder, die anscheinend den Veranstaltungstitel als angreifend empfanden, sie hätten nie mit Nazis zusammengearbeitet, woraufhin zwei andere AG-Mitglieder erklärten, dass dies ja auch niemand behauptet hätte. Kurze Zeit später griff Dankwardt dieselben zwei Anwesenden mit den Worten an, das „hätte mit der Realität nichts mehr zu tun“, was bei bestimmten Leuten im Kopf vorgehe und verwies auf sie („die beiden ganz links“). Zu sachlicher Kritik an der Beteiligung von Mitgliedern der Friedensbewegung bei den Montagsmahnwachen kam es erst gar nicht, denn Torsten Schleip leugnete rundweg, überhaupt Mitgestalter gewesen zu sein. Auf meinen Hinweis, es gäbe doch Videobeweise von letztem Jahr, erhielt ich allen Ernstes von einem Mitglied des Friedenszentrums die Beschwichtigung: „Das ist so lange her, mein Guter.“

Dann kam der Auftritt Lutz Metzgers, der sich darüber beschwerte in der Veranstaltungsankündigung (siehe Screenshot) „mit Namen denunziert“ worden zu sein und deshalb einen Anwalt konsultieren wolle. Er unterstellte einem anwesenden Gast und Mahnwachenkritiker namentlich ein „informeller Mitarbeiter von Jutta Ditfurth“ zu sein. Mir warf er wiederholt vor, ich sei „verbrämt“ und er wolle, dass ich wisse, wie verbrämt ich sei.

Im Anschluss erklärte Alexej Dankwardt, dass er ein Tribunal (gegen Metzger und Schleip) verhindern wolle und stellte den Antrag, die nicht geladenen Gäste, die während des Disputs beleidigt und diffamiert worden waren, auszuschließen. Nach einigem Hin- und Her („AG-Sitzungen waren immer öffentlich!“ vs. „Es gibt diese Veranstaltung nicht, überhaupt nicht. Wir haben jetzt eine ganz normale AG-Sitzung.“) und Satzungsunklarheiten (wer darf überhaupt abstimmen, z.B. Parteimitglieder oder AG-Mitglieder?) führte Alexej Dankwardt dann die Abstimmung über den Ausschlussantrag durch, der mit minimaler Beteiligung angenommen wurde.

Als daraufhin der andere Gast und ich den Raum verließen, gab es noch einen Eklat. Ich war bereits auf dem Flur, der andere ausgeschlossene Gast stand noch im Türrahmen, er rief in den Raum zurück etwas wie: „Ich habe euch von Anfang an gesagt, dass man mit Nazis und Antisemiten nicht auf die Straße geht!“ Plötzlich sprang Lutz Metzger „Lügner, Lügner“ schreiend im Raum auf und kam durch die Tür auf uns losgerannt. Im Flur angekommen ging er: „Seit einem Jahr machst Du meine Friedensbewegung kaputt!“ brüllend und handgreiflich auf den Kritiker des Friedenswinters los. Alexej Dankwardt sprang dazwischen, zog den aufgebrachten Lutz Metzger von dem angegriffenen Gast weg und zurück in den Sitzungsraum.

Erschüttert über diesen Ausgang verließ ich das Karl-Liebknecht-Haus und diese denkwürdige Veranstaltung. Was der Titel der Veranstaltung versprach, ein offen geführter, selbstreflektierter Diskurs mit Mitgestaltern der Montagsmahnwachen über die Abgrenzung zu rechten und antisemitischen Strukturen in der Friedensarbeit, konnte selbige nicht einlösen. Meines Eindrucks nach war eine Diskussion darüber ganz klar an diesem Abend nicht gewollt. Aber dass das Ganze dermaßen aus dem Ruder läuft, dass „Friedensaktivisten“ ihre Kritiker körperlich angehen, damit hätte ich nicht gerechnet! Alle für den Frieden? Gestern abend kann man das nun wirklich nicht behaupten!

Zum Schluss noch zwei kleine Details am Rande:

Am Montagabend, den 23.3. hatte mich Lutz Metzger noch persönlich auf die Veranstaltung hingewiesen und um meine kritische Teilnahme gebeten.
Ziemlich genau 48 Stunden vor meinem Ausschluss aus der AG-Sitzung „Frieden und Gedenken“ der LINKE Leipzig habe ich auf Einladung der LINKE-Landtagsfraktion bei einem Hearing im Neuen Rathaus unter anderem zu Verstrickungen von Montagsmahnwachen und Legida geredet.

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